Gesellschaft

„Ich wünschte mir heute, dass ich mich früher jemandem geöffnet hätte“

Interview der SOS-Kinderdörfer mit dem Schauspieler und Moderator Jochen Schropp zum Thema Vielfalt

"Ich wünschte mir heute, dass ich mich früher jemandem geöffnet hätte", sagt Jochen Schropp. Im Interview mit den SOS-Kinderdörfern erzählt der Schauspieler und Moderator, warum er es lange Zeit für ein Problem gehalten hat, homosexuell zu sein, und warum er jedem jungen Menschen Unterstützung bei der Identitätsfindung wünscht. Anlass des Interviews ist der Pride-Month Juni, in dem queere Menschen verstärkt auf ihr Anliegen aufmerksam machen. (Foto: SOS-Kinderdörfer weltweit/Lukandsimon)
„Ich wünschte mir heute, dass ich mich früher jemandem geöffnet hätte“, sagt Jochen Schropp. Im Interview mit den SOS-Kinderdörfern erzählt der Schauspieler und Moderator, warum er es lange Zeit für ein Problem gehalten hat, homosexuell zu sein, und warum er jedem jungen Menschen Unterstützung bei der Identitätsfindung wünscht. Anlass des Interviews ist der Pride-Month Juni, in dem queere Menschen verstärkt auf ihr Anliegen aufmerksam machen. (Foto: SOS-Kinderdörfer weltweit/Lukandsimon)

München (ots) – Herr Schropp, die SOS-Kinderdörfer unterstützen junge Menschen, indem sie ihnen bei ihrer Identitätsfindung zur Seite stehen. Warum ist das besonders für junge Menschen wichtig?

Jochen Schropp: Als ich selbst noch nicht so richtig wusste, wo die Reise hingeht, welche sexuelle Orientierung ich habe, hatte ich niemanden um mich herum. Ich glaube, das wäre für mich ganz, ganz wichtig gewesen, wenn ich in meinem Umfeld Menschen gehabt hätte, die die richtigen Fragen gestellt hätten. Denn es ist verwirrend genug, wenn man selbst nicht weiß, wer man ist und da ist Hilfe von außen einfach Gold wert.

Verwirrend genug, sagen Sie… Welche Unterstützung hätten Sie sich gewünscht?

Ich habe die ersten Jahre ja tatsächlich immer gehofft, dass ich vielleicht doch auf Frauen stehe, weil ich einfach dachte, dass das vieles einfacher für mich machen würde. Ich bin als Jugendlicher außerdem von unterschiedlichen Jungs-Gruppen gemobbt worden. Insofern war es für mich dann nach einiger Zeit klar, dass es ein Problem und falsch wäre, homosexuell zu sein. Wenn ich damals jemanden an meiner Seite gehabt hätte, der mir ein Vorbild gewesen wäre und Support gegeben hätte, dann wäre, glaube ich, vieles einfacher gewesen. Ich wünschte mir heute, dass ich mich früher jemandem geöffnet hätte! Ich habe viel zu lange gebraucht, um Hilfe anzunehmen.

Viele junge Menschen, die auf der Suche nach ihrer Identität sind, fühlen sich ausgegrenzt – dadurch fällt es ihnen auch schwer, sich selbst zu akzeptieren. Welche Tipps haben Sie?

Ich glaube, wir machen uns immer viel zu viele Gedanken darum, was alles falsch laufen könnte. Wenn wir uns öfter oder schneller jemandem anvertrauen würden, dann wäre die Reise nur halb so wild. Such dir einen Freund, eine Freundin, vielleicht auch ein Familienmitglied, dem du vertraust. Wenn du niemanden in deinem Umfeld hast, gibt es natürlich auch viele Beratungsstellen, die dich mit offenen Armen empfangen.

Jochen Schropp ist Schauspieler, Moderator - und schwul. Heutzutage sollte das keine große Sache mehr sein, und doch schlug sein öffentliches Outing im Jahr 2018 hohe Wellen. Was ist dran an unserer Vorstellung eines toleranten Deutschlands? Mit welchen Konflikten sehen sich queere Menschen konfrontiert, welche Debatten sind längst überholt? Und was können wir alle beitragen, um das Ideal einer vielfältigen und offenen Gesellschaft zu leben? Jochen begibt sich auf Spurensuche, er erzählt seine Geschichte und stellt sich den Fragen und Vorurteilen unserer Zeit: „Muss man sich überhaupt noch outen?“, „Warum müsst ihr denn so einen Wirbel um eure Sexualität machen?“, „Wo fängt Homophobie an und wie reagiere ich darauf?“, „Und welche Rolle spielt nun die heteronormative Gesellschaft?“ Unterstützt wird Jochen von Diplom-Psychologin Miriam Junge, gemeinsam eröffnen sie Diskussionen und liefern Denkanstöße rund um die Themen Outing, Identität, Diskriminierung, Sichtbarkeit, Sex und Klischees. „Queer as f*ck“ nimmt Menschen auf der Suche nach ihrem Platz in der Welt an die Hand, anderen hält es den Spiegel vor: Ein Buch für die LGBTQIA*-Community und alle anderen, für die Toleranten und die, die sich dafür halten. Ein längst überfälliges Buch und wichtiger Beitrag zu einer hochaktuellen Debatte.
Jochen Schropp ist Schauspieler, Moderator – und schwul. Heutzutage sollte das keine große Sache mehr sein, und doch schlug sein öffentliches Outing im Jahr 2018 hohe Wellen. Was ist dran an unserer Vorstellung eines toleranten Deutschlands? Mit welchen Konflikten sehen sich queere Menschen konfrontiert, welche Debatten sind längst überholt?

In Ihrem Buch „Queer as f*ck“ geben Sie viele Beispiele dafür, dass die Gesellschaft noch lange nicht so tolerant ist, wie sie sein sollte. Was muss sich denn am meisten ändern?

Ich glaube, wir müssen Minderheiten und Randgruppen einfach mehr zuhören. Wir müssen die Menschen fragen: „Was braucht ihr von uns?“; „Wie können wir euch unterstützen?“. Und wir brauchen keine Sätze wie: „Boah, müsst ihr eure Sexualität jetzt wieder in den Vordergrund rücken?“ oder: „Müsst ihr jetzt wieder über Homosexualität sprechen?“ In Filmen und Serien machen queere Charaktere 1 % aus, heteronormative Menschen dagegen 99 %. Lasst uns doch einfach diese 1 % Sichtbarkeit. Wir müssen dafür sorgen, dass mehr Sichtbarkeit und mehr Verständnis da sind.

Sie engagieren sich als Botschafter seit über 15 Jahren für die SOS-Kinderdörfer. Was macht die Hilfe der SOS-Kinderdörfer für Sie unterstützenswert?

Ich durfte ja schon ein paar SOS-Kinderdörfer besuchen und war von den SOS-Kinderdorf-Müttern so begeistert. Die haben ja teilweise ihre eigenen Familien und trotzdem geben sie den Kindern, um die sie sich kümmern dürfen, so viel Liebe und legen so ein Engagement an den Tag. Das zu sehen, hat mich wirklich richtig glücklich gemacht. Natürlich bekommen auch viele Kinder ein Ferien-Angebot oder Sachen gestellt, die sie normalerweise in ihrem Leben nicht hätten. Das finde ich auch bewundernswert. Und dann darf man ja auch nicht vergessen, dass sich die SOS-Kinderdörfer darüber hinaus für Familien und Kindern in Not einsetzen, nämlich da, wo aktuell die Hilfe am meisten gebraucht wird.

Hagen Ulrich

Hagen Ulrich lebt mit Ehemann, Katzen und Bienen in Bonn. Schreibt gelegentlich Gay Fantasy Romane, interessiert sich für LGB-Themen und hat eine Aversion gegen wokes Denken, nervige Genderschrilletten und das AfDreckspack. Ist außerdem der Meinung, dass :_* in Wörtern außer zu Satirezwecken nichts zu suchen haben.

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"