Religion und Kirche

Ein Jahr nach Missbrauchsbericht der Kirche in Frankreich sind 23 Opfer entschädigt

François Devaux, Mitgründer eines Opferverbands, kritisierte die Entschädigungsverfahren. "Das verschlimmert den Schaden eher noch", sagte er mit Blick auf die langen Wartezeiten.

Kommissar Thomas Grund trinkt zu viel, schläft kaum - und wenn hat er Alpträume. Eigentlich ist er in seine Heimatstadt Paderborn zurückgekehrt, um diese Probleme anzugehen. Doch schon der erste Mordfall, den er in Paderborn lösen muss, bringt ihn aus dem Gleichgewicht. Das Opfer war ein Schulfreund: Ein Schuss in den Hinterkopf, der Schädel gesprengt, die Füße grausam verstümmelt und daneben ein Rosenkranz vom Mörder bei der Leiche zurückgelassen. Die Spuren führen den Kommissar zurück in seine Schulzeit auf einem katholischen Knabeninternat. Was er eigentlich vergessen wollte und was doch sein ganzes Leben geprägt hat, der Missbrauch durch einen Pater, spielt bald eine wesentliche Rolle bei der Aufklärung des Falles. Grund war nicht das einzige Opfer des Paters. Offenbar hat der Mörder es noch auf andere ehemalige Schüler des Internates abgesehen und so wird die Aufklärung zu einem Wettlauf mit der Zeit. Seine Untersuchungen führen den Kommissar ausgerechnet in seine alte Schule, jetzt ein Tagungshaus, in dem ein katholischer Kongress "besorgter Eltern" stattfindet. Hier erfährt er, wie sehr Doppelmoral und Frömmelei das Leben junger Menschen zerstörte. Er begegnet ehemaligen Peinigern und einer prominenten Reihe von ewig Gestrigen, deren homophober Hass die eigentliche Ursache für die Morde und das Lebensunglück vieler Schüler des Internates waren. Grund muss mit Erschrecken erkennen, dass die Vertuschung von Missbrauch und fanatischer Schwulenhass Mörder und Opfer in ein auswegloses Netz seelischer Verwirrung verstrickten. Der Kommissar stellt sich nicht nur seiner eigenen Geschichte, sondern kann am Ende den Mörder und auch den Verursacher der Leiden so vieler junger Männer identifizieren!
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Paris (AFP) – Knapp ein Jahr nach dem verheerenden Bericht über mutmaßlich 330.000 Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche in Frankreich sind gerade einmal 23 Opfer finanziell entschädigt. Gut 1000 Menschen hätten sich bislang gemeldet, teilte das für Entschädigungen zuständige Gremium am Freitag in Paris mit. Bislang seien 60 Entscheidungen gefallen, in 45 Fällen seien finanzielle Entschädigungen festgelegt worden. Opferverbände werfen der Kommission vor, zu langsam voranzugehen.

Bislang hätten neun Menschen die Höchstsumme von 60.000 Euro erhalten, sagte die Vorsitzende des Entschädigungskommission, Marie Derain de Vaucresson. Sie wies die Kritik der Opferverbände zurück. Die Kommission habe Zeit gebraucht, um eine Methode zu entwickeln und jeden Fall individuell zu behandeln, sagte Derain de Vaucresson. Manche Opfer wollten auch keine finanzielle Entschädigung, sondern in erster Linie eine Anerkennung.

Entschädigungskommission will Personal aufstocken

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Die Entschädigungskommission, die von der Bischofskonferenz eingesetzt wurde, will ihr Personal aufstocken, um die Anfragen schneller zu behandeln. Die Zahl der angestellten Referenten, die sich um die Missbrauchsopfer kümmern, solle von drei auf sieben aufgestockt werden, sagte Derain de Vaucresson. Zudem sei ein Telefondienst eingerichtet worden. Derzeit meldeten sich etwa 15 bis 20 Menschen pro Woche.

Die Ordensgemeinschaften haben eine eigene Entschädigungskommission eingerichtet, bei der sich bislang 400 Menschen gemeldet haben. Davon hätten 15 Opfer sexuellen Missbrauchs Entschädigungen erhalten, teilte die Kommission auf Anfrage der AFP mit.

Kein einziger Bischof zurückgetreten

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François Devaux, Mitgründer eines Opferverbands, kritisierte die Entschädigungsverfahren. „Das verschlimmert den Schaden eher noch“, sagte er mit Blick auf die langen Wartezeiten. „Bislang ist noch kein einziger Bischof zurückgetreten. Bei so viel Scheinheiligkeit ist eine Entschädigung kaum möglich“, sagte er dem Sender France Info am Freitag.

Vor einem Jahr hatte eine Untersuchungskommission geschätzt, dass seit 1950 etwa 330.000 Minderjährige von Priestern, Ordensleuten oder Mitarbeitern katholischer Einrichtungen sexuell missbraucht worden waren. Der Bericht hatte Schockwellen in der katholischen Kirche ausgelöst.

Die Bischofskonferenz hatte anschließend einen Fonds für die Entschädigung der Opfer eingerichtete, für den unter anderem Immobilien der Kirche veräußert werden sollten. Anfang des Jahres umfasste er etwa 20 Millionen Euro.

kol/ck

© Agence France-Presse

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