Politik

EU-Abgeordnete wenden sich gegen Europride-Verbot durch Serbien

"Prides waren und bleiben ein wichtiges Instrument für die Sichtbarkeit der LGBTQI-Gemeinschaft", erklärten 145 Abgeordnete des EU-Parlaments am Mittwoch in einem Schreiben an den serbischen Präsidenten.

Kroatien verhindert 2013 in einem Verfassungs-Referendum die Homo-Ehe und Serbien verbietet die Belgrad Pride aus Sicherheitsgründen gleich dreimal in Folge (2011-2013). Ist der Westbalkan homophob? Martin Mlinaric? untersucht auf der Grundlage einer qualitativen Dispositivanalyse serbischer und kroatischer Massenmedien sowie einer quantitativen Sekundärdatenauswertung den widersprüchlichen Status sexueller Differenz im Kontext der Nachwehen der Europäisierung zweier postjugoslawischer Nachkriegsgesellschaften und der Finanz- und Wirtschaftskrise. Es zeigt sich, dass im Zeitraum von 2009 bis 2013, also nach der Verabschiedung der jeweiligen Antidiskriminierungsgesetze, in beiden Staaten mehr als zwei Drittel der Bevölkerung sexuelle Differenz moralisch verurteilen und ein Adoptionsrecht für Schwule und Lesben ablehnen. Aus qualitativer Sicht ist die Frage nach der Akzeptanz sexueller Differenz mit Fragmenten von Demokratie, Europa und (In-)Toleranz verknüpft, so wird sie bei ihren Befürwortern zu einer Metapher für den Übergang in eine „normale westliche“ Demokratie. Während auf der Ebene der Massenmedien ein „fairer“ und offener Wettbewerb zwischen Akteuren der unterschiedlichen Gruppen vermittelt wird, entstehen gleichzeitig provinziell-patriotische Gegenreaktionen, die sich auf die Kirche und die klerikalkonservative Zivilgesellschaft berufen. Anhand eines 4-Phasenmodells wird erklärt, dass der Dissens in Kroatien und Serbien im Sinne einer auf Minimalkonsense angelegten deliberativen Demokratie befriedet wird: Öffnungen im Bereich allgemeiner Sichtbarkeit (Serbien) und gleichgeschlechtlicher Partnerschaft (Kroatien) werden für sexuelle Minderheiten nur partiell gewährt.
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Belgrad (AFP) – Nach dem Europride-Verbot in Serbien haben EU-Abgeordnete Präsident Aleksandar Vucic aufgefordert, die Entscheidung rückgängig zu machen. „Prides waren und bleiben ein wichtiges Instrument für die Sichtbarkeit der LGBTQI-Gemeinschaft“, erklärten 145 Abgeordnete des EU-Parlaments am Mittwoch in einem Schreiben an den serbischen Präsidenten. Vucic solle die Parade Mitte September „wie geplant stattfinden“ lassen.

Die Europride ist eine paneuropäische Großveranstaltung der LGTBQI-Gemeinschaft, die seit 1992 jeden Sommer in einem anderen europäischen Land organisiert wird. Die englische Abkürzung LGBTQI steht für lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, queer und intersexuell. In diesem Jahr sollte die Europride vom 12. bis 18. September in der serbischen Hauptstadt Belgrad stattfinden.

Aleksandar Vucic soll Europride-Verbot aufheben

Der serbische Präsident Aleksandar Vucic hat ein Europride-Verbot erlassen und wird von EU-Parlamentariern kritisiert. (Foto: Milo Misko/Anadolu Agency via AFP)
Der serbische Präsident Aleksandar Vucic hat ein Europride-Verbot erlassen und wird von EU-Parlamentariern kritisiert. (Foto: Milo Misko/Anadolu Agency via AFP)

Die Europarlamentarier, darunter deutsche Abgeordnete der Grünen, SPD, Linke und FDP, forderten zudem genügend Ordnungskräfte für mehr Sicherheit bei der Parade. „Wir sind uns bewusst, dass die Sicherheit der Demonstranten bedroht ist“, aber ein Verbot der Veranstaltung „ist nicht die richtige Lösung“, hieß es in dem Schreiben weiter. Gewalttätige Gegenproteste bei Prides seien „leider nicht neu“, weshalb die Polizei „effizient und ausreichend reagieren“ solle.

Aleksandar Vucic hatte am Wochenende erklärt, die Parade werde abgesagt oder verschoben. Zur Begründung verwies er unter anderem auf Sicherheitsbedenken angesichts der jüngsten Spannungen zwischen Serbien und dem Kosovo. Die Organisatoren hatten hingegen erklärt, sie wollten an dem Termin festhalten.

Serbien ist eines der wenigen Länder, das in Ana Brnabic eine offen lesbische Regierungschefin hat. Doch viele Angehörige sexueller Minderheiten sehen sich in dem Balkanstaat weiterhin mit Tabus, Vorurteilen und auch Gewalt konfrontiert.

mbn/ju

© Agence France-Presse

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